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„Dafür muß eine alte Frau lange stricken!“ war ein beliebter Ausspruch einer meiner Lehrer. Sinnbildlich steht er für etwas Teures.
Wenn auf alten Bildern/Ölgemälden Handarbeit gezeigt wird, dann höchstens das Sticken. Stricken war profan und wurde von den Armen betrieben. S. hierzu auch das Märchen „Das Kätzchen und die Stricknadeln“.
Bei meinem Besuch in der Hamburger Kunsthalle ist mir aufgefallen, daß die Wohlhabenden, die es sich leisten konnten sich malen zu lassen, immer etwas Luxeriöses in den Händen halten wie einen Fächer mit Straußenfedern, ein Buch oder auch einfach nichts. Manchmal werden die Hände in teuren Handschuhen abgebildet.
Auf meine Anfrage hin holte man extra für mich Fritz von Uhdes Bild „Der Leierkastenmann kommt“ aus dem Archiv und stellte es in der Bibliothek aus. Uhdes Vorliebe für die alten Niederländer ließ ihn 1882 nach Holland reisen. Das Bild ist 1883 datiert.
Es zeigt einen kleinen Hinterhof, in dem zehn junge Mädchen und drei junge Frauen sich die Zeit mit Hand- und Küchenarbeit vertreiben. Drei von ihnen haben einen langen, schwarzen Strickstrumpf zur Hand. Der vierte liegt auf einem Stuhl.
Etwas weiter hinten in dem kleinen, von einem hohen Holzzaun umgebenen Garten, sieht man, daß die Pforte zur hinteren Gasse weit geöffnet ist. Dort steht der Leierkastenmann. Damals wohl eine beliebte Abwechslung, denn fast alle kleinen Mädchen wenden sich ihm zu oder laufen ihm entgegen.
Nur das eine kleine Mädchen, daß im Vordergrund rechts auf der Bank sitzt, strickt weiterhin an ihrem Strumpf. Durch den Hausvorsprung hat sie keinen Blick auf die Pforte. Sie kann ihn folglich nicht sehen.
Beeindruckt hat mich das Bild, denn es zeigt, daß alle – bis auf die älteste Frau – Holzschuhe und schwarze Strümpfe tragen.
Die Topfpflanzen stehen draußen, die Geranie auf dem Fensterbrett blüht. Von der Jahreszeit her müßte es schon wärmer sein, aber wohl noch nicht warm genug um ohne Strümpfe zu gehen.
Strümpfe von damals kann man nicht mit unseren heutigen vergleichen. Und auch die Verarbeitung der Wolle hat sich verändert. Die Älteren von uns mögen sich noch an die kratzigen Strumpfhosen aus der Kinderzeit erinnern. Und damals – vor mehr als 100 Jahren – wurden die Stümpfe an eine Art Gürtel geknotet – ähnlich der Strapse heute.
Auf Bildern von Zille findet man auch des öfteren schwarze Strümpfe. Meist sind sie herunter gerutscht und liegen in Wellen um die Knöchel ihrer Träger.
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