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Was kostet eine handgestrickte Mütze?

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Kostenkalkulation für eine Mütze

Was kostet eine handgestrickte Mütze?

Lesedauer: ca. 5 min

„Oh, die ist aber schick! Strickst Du mir auch so eine Mütze?“ werde ich gefragt.

„Nein“, antworte ich.

„Ich bezahle dir das auch!“ Kräftig nickend unterstreicht mein Gegenüber seine Bereitwilligkeit meine Dienste zu entlohnen.

„Das tust du nicht“, erwidere ich. „Für diese Mütze müßte ich dir 115,56 Euro berechnen, und das wirst du nicht zahlen wollen, nicht wahr?“

Hatte mein Gesprächspartner gerade noch Luft geholt um zu insistieren, so legt sich nun seine Stirn in Falten.

„So viel? Warum denn nur so viel?“ fragte er.

Ich mache mir mal den Jux und kalkuliere wie jeder Geschäftsmann. Werkzeug brauche ich nicht kaufen, das habe ich im Bestand. Korrekterweise müßte ich noch Abschreibung auf Nadeln verzeichnen und mir Gedanken machen, wie ich die Abnutzung meiner Gelenke taxiere.

Vorwärtsklakulation am Beispiel einer handgestrickten Mütze
So sieht eine Vorwärtskalkulation aus!

Also bleibt das Garn und die Strickzeitschrift. Beispielsweise nehmen ich Merino Extrafein von Schachenmayr zwei mal 50 g à 5,50 EUR macht 11,00 EUR. Die Zeitschrift von Schachenmayr kostet 3,90 EUR. Der gesamte Einkauf beläuft sich auf 14,90 EUR.

Der Kaufmann spricht hier vom Listeneinkaufspreis. Da ich im Wolladen keinen Rabatt bekomme, bleibt es bei der Summe. Ansonsten könnte ich mir hier noch einen Lieferrabatt abziehen. Also ist der Listeneinkaufspreis gleich dem Zieleinkaufspreis. Skonto habe ich auch nicht bekommen, und nun heißt die Summe Bareinkaufspreis.

Auf diesen Betrag kommen noch die Bezugskosten (Versand) von 3,90 EUR, weil ich online bestellt habe.

Der Bezugspreis lautet 18,90 EUR.

Ordnungsgemäß berechne ich hier mal moderate Handlungskosten (prozentualer Satz für Personalkosten und selbsterstellte Leistungen entfällt hier. Anstelle dessen rechne ich 1:1 ab s.u. Für Raumkosten, Miete, Transport, Verpackung veranschlage ich mal 5,00 EUR.

Personalkosten für die Veredelung des Materials – sprich das Stricken der Mütze, Fädenvernähen und die Fertigstellung brauche ich 4 Stunden à Mindeststundenlohn von 9,19 EUR. Macht summa summarum: 36,76 EUR.

Der Selbstkostenpreis liegt bei 60,56 EUR – und daran ist noch nichts verdient!

Den Gewinnzuschlag kalkuliere ich mit 10 % – also 6,06 EUR. Der Barverkaufspreis hier: 66,62 EUR.

Als gute Geschäftsfrau gewähre ich natürlich ein Kundenskonto von 2 %. Was hier mit 1,36 EUR zu Buche schlägt.

Zielverkaufspreis: 67,98 EUR

Darauf schlage ich noch einen großzügigen Kundenrabatt von 30 % (29,13 EUR). Der Nettoverkaufspreis liegt somit bei 97,11 EUR. Natürlich muss ich als korrekte Geschäftsfrau auch noch die Mehrwertsteuer von 19 % berücksichtigen – 18,45 EUR.

Somit kostet die Mütze 115,56 EUR.

„Waaaas! Soooo teuer?“

Spaßeshalber könnte ich die Rechnung noch einmal machen und mir einen Gesellenlohn von 18,00 EUR die Stunde schreiben. Oder vielleicht nehme ich doch einen Meisterlohn, da ich ja schon mehr als 35 Jahre Strickerfahrung habe 🙂

„Ja, so teuer!“

#strickdochmalwieder #mütze #handgestrickt #selbstgestrickt #handarbeit #handwerk

Buchvorstellung

Alte Handarbeitszeitschriften – Ullstein Sonderheft

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Alte Handarbeitszeitschirft aus dem Ullsteinverlag

Lesedauer: ca. 5 min.

Leider konnte ich kein Erscheinungsdatum bei dem Ullstein Sonderheft Nr. 10-11 erkennen. Daher schätze ich auf die Jahre um 1920. Es hat auch schon arg gelitten und löst sich in seine einzelnen Bestandteile auf.

Durch solche alten Hefte zu blättern ist ja immer so ein bißchen wie Zeitreise. Spannend ist für mich nicht nur die Mode, sondern der Preis – 1,25 Mark um 1920 war eine Menge Geld. Werbung sucht man in diesem Heft vergebens. Es sind wirklich nur die Anleitungen darin – schriftlich in Fließtext.

Alles aus Wolle – Modelle für Kaffeewärmer, Decken, Kissen und anderes

Nichtsdestotrotz hat der Artikel der ersten Seite kaum etwas an Aktualität eingebüßt. Denn dort steht geschrieben:

Handarbeiten haben die Aufgabe unser Heim zu schmücken oder anderen eine Freude zu bereiten. Eine gute Handarbeit stellt drei Aufgaben an den Ausführenden, die auf ganz verschiedenen Gebieten liegen, und trotzdem innig miteinander verknüpft sind.

Als erstes heißt es ein gutes Vorbild zu finden, deren es heutzutage viele gibt. Dann beginnt die zweite Aufgabe: die Auswahl des Materials. Hier spielt nicht nur die Beschaffenheit des Fadens eine große Rolle, sondern auch ein mehr oder minder gedrehter Wollfaden ist für die Arbeit von großer Wichtigkeit.

Vor allem aber ist eine gute, geschmackvolle Farbenwahl ein nicht zu unterschätzender Faktor. Sind diese zwei ersten Aufgaben zur Zufriedenheit gelöst, so bleibt die dritte, schwierigste: die gute Ausführung. Nichts ist so wichtig, wie eine einwandfreie Technik. Der beste Entwurf wird unansehnlich, wenn er schlecht gearbeitet ist, während eine nicht ganz glückliche Idee durch gut gewählte Farben und eine tadellose Ausführung noch sehr gut werden kann.“

Für mich ist die Zeitschrift ein absolutes Schätzchen – ein Erbstück der Großtante.

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